Moderne Methoden aus dem Krankenhaus auch im Kuhstall

Was in der Humanmedizin schon lange üblich ist - also die sogenannten minimalinvasiven Operationstechniken - hat auch im Kuhstall seinen Einzug gehalten.

Tierarzt Björn Becker aus Gildehaus stellt hier die Vorteile der laparoskopischen Methode zur Operation einer Vormagenproblematik - der Labmagenverlagerung bei der Milchkuh vor.

 

„Minimalinvasiv bedeutet, das nicht mehr durch große chirurgische Schnitte z.B. die Bauchhöhle eröffnet werden muß, sondern durch kleinste sogenannte Zugänge, endoskopische Instrumente in den Körper eingeführt werden, um sowohl die Diagnostik zu verbessern, als auch die Operation so schonend wie möglich durchführen zu können.“ „Ausserdem“, so der Tierarzt weiter, „wird der Patient nicht mehr als nötig belastet, die Heilungsphase ist deutlich kürzer, es kann oft auf die Gabe von Antibiotika verzichtet werden und das Tier wird so schnell wie möglich wieder in die Herde eingegliedert.“

 

Neben der deutlich kürzeren Operationszeit ist diese Methode für den Landwirt deutlich ökonomischer. Die Milch kann nach kürzester Zeit wieder geliefert werden, das sie nicht unnötig mit Medikamenten belastet ist. 

 

„Wenn die Labmagenverlagerung recht- bzw. frühzeitig diagnostiziert wird, was einige unserer Landwirte bereits selbst können, da es sich um ein typisches Krankheitsbild mit eindeutigen klinischen Hinweisen handelt, ist die Kuh innerhalb von ein bis zwei Tagen wieder fit und leistungsbereit“, stellt Tierarzt Becker fest. „Bis auf die lokale Betäubung der Operationsstellen und der Gabe von Schmerzmitteln benötigen die meisten Fälle keine weiteren Medikamente wie z.B. Antibiotika, was deren Verbrauch damit stark drosselt.“

 

Bei den bisher angewandten OP-Techniken konnte aufgrund der hygienischen Verhältnisse im Kuhstall und der großen Eröffnung der Bauchhöhle der Kuh leider nicht darauf verzichtet werden.

 

„Wir operieren die Tiere direkt im Stall, um ihnen den Streß eines Transportes und der damit verbundenen Trennung von ihrer gewohnten Herde und Umgebung zu ersparen. Das ist nicht nur aus tiermedizinischer sondern auch aus verhaltenspsychologischer Sicht ein besonderer Vorteil.“

 

Wie die Operation abläuft, faßt Tierarzt Björn Becker kurz zusammen: „Zunächst werden die zwei Operationsstellen, die ca 10x10cm groß sind gereinigt, geschoren und desinfiziert. Nach einer lokalen Betäubung werden zwei ca. 2cm große Schnitte an der Bauchwand angelegt. Durch den einen Schnitt kann die endoskopische Kamera eingeführt werden, durch die andere wird dann der Labmagen entgast und in diesem ein sogenannter Toggle, der wie ein Kippdübel funktioniert versenkt. Diese Öffnung dient auch dazu einen Führungsfaden bis an die unterste Stelle am Bauch der Kuh zu leiten, der dann genutzt wird, um den Labmagen an seine ursprüngliche Lage zurück zu bringen und ihn dort zu fixieren. Im Gegensatz zu anderen Methoden, wo die Kuh umständlich in Rückenlage gebracht werden muß, was sie verständlicherweise nicht besonders komfortabel findet, da es nicht ihrem natürlichen Verhalten entspricht, kann das Tier bei dieser Methode komplett stehen bleiben. Das alles ist meist in ca 1/2 Stunde erledigt.“

 

Neben der Operation findet das Laparoskop mittlerweile auch immer öfter Anwendung in der Diagnostik unklarer abdominaler Befunde. 

 

„Diese Methode soll aber nicht dazu verleiten die Ursachen für die Labmagenverlagerung, die meistens in der Fütterung in den letzten Wochen vor der Kalbung liegt zu bekämpfen“, betont Björn Becker und erläutert das Entstehen des Krankheitsbildes. „Meist durch fütterungsbedingte Ursachen entstehen zu viele Gase im Labmagen. Da die Bauchhöhle nach der Kalbung leer ist und viel Platz bietet, steigt der Labmagen neben dem oft schlecht gefüllten Pansen an der Bauchwand auf und bleibt dann in dieser Lage fixiert. Der damit verbundene Schmerz äussert sich im drastischen Milchrückgang und im Unwohlsein der Kuh. Sie frißt nicht mehr und kann ihren Energiehaushalt nicht aufrecht erhalten. Dadurch ergeben sich weitere Probleme, die unbehandelt bis zum Tod des Tieres führen können“.

 

Das macht deutlich, dass ein frühzeitiges Eingreifen nötig ist, was durch den geringeren OP-Aufwand schnell geleistet werden kann.